Blog | In der Reihe "Archivalie des Monats" stellt das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte regelmäßig einen besonderen Schatz aus dem Archiv vor. Im November schaut der wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Goebel in das Tagebuch der ISABEL/YSABEL.
Das Schifffahrtstagebuch der Ysabel von Kapitän Schneider ist eine einzigartige Quelle aus der frühen Zeit der deutschen Kolonialherrschaft im Pazifik 1885-1914. Das bei Blohm & Voss gebaute Dampfschiff war für die Berliner Neuguinea-Kompagnie im Einsatz und besorgte als eines der wenigen Schiffe die so wichtige Schiffsverbindung zwischen einzelnen Stationen wie Finschhafen, Stephansort und Friedrich-Wilhelmshafen an der Nordostküste von Neuguinea und den Handelsstationen im Bismarck-Archipel, den umliegenden Verkehrsknotenpunkten zuerst im australischen Cooktown und in Soerbaya in Niederländisch-Indien, bevor der Norddeutsche Lloyd die so wichtige Überseeverbindung mit dem Reichspostdampferverkehrsnetz ab 1892 herstellte. Danach wurden die Schiffe der Neuguinea-Kompagnie vor allem im Inselverkehr der Kolonie eingesetzt.
Das Schiffstagebuch der Ysabell ist eine einzigartige Momentaufnahme kolonialen Alltags zwischen ökonomischer Ausbeutung, Gewalt und Konflikt und gewöhnlicher Schifffahrtspraxis. Schiffsführer Kapitän Schneider beschreibt nüchtern alltägliche Szenen aus der Zeit der deutschen kolonialen Besetzung in Neuguinea, darunter geographische Erkundungen entlang der noch wenig befahrenen Küsten, die Beförderung von Kolonialwaren und den Personentransport von Kolonialbeamten, aber auch die Migration von südostasiatischen und melanesischen Arbeitern nach den Plantagenökonomien, die Einschleppung von Krankheiten und Quarantänemaßnahmen. Das Tagebuch dokumentiert zugleich den Widerstand und Auflehnung gegen die deutsche Kolonialherrschaft, die Brutalität sogenannter Strafexpeditionen in all ihrer kompromisslosen und willkürlichen Rücksichtslosigkeit, zugleich ambivalente Versuche, in der kolonialen Gemengelage ein Auskommen zu schaffen.
Wir interessieren uns für seltene Quellen der deutschen Schifffahrtsgeschichte im kolonialen Kontext. Für sachdienliche Hinweise ist dankbar: Tobias Goebel, goebel@dsm.museum