Tag der Provenienzforschung am 13. April: Verschwundenen Instrumenten auf der Spur

Die DSM-Wissenschaftlerin Dr. Kathrin Kleibl deckt Spuren zu verschollenen Gegenständen des deutsch-jüdischen Komponisten Bernhard Sekles auf. Zum Tag der Provenienzforschung am 13. April lädt sie mit der Kunsthalle Hamburg zu einer digitalen Sprechstunde ein, in der Interessierte Fragen rund um das Aufspüren und die Rückgabe enteigneter Güter von jüdischen Familien während des Nationalsozialismus stellen können.

Notenblätter, die wahrscheinlich nie im Konzertsaal lagen, Instrumente, die seit einem knappen Jahrhundert nicht mehr gespielt wurden. Sie gehörten Bernhard Sekles, einem in den 20er Jahren deutschlandweit bekannten Musikpädagogen. Der Frankfurter hatte ein sehr gutes Gespür für den Zeitgeist und etablierte die erste Jazzklasse Europas am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main. Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln erhielt er in den 30er Jahren Berufsverbot, verstarb und geriet in Vergessenheit.

Mehr als 90 Jahre später ist Dr. Kathrin Kleibl, Provenienzforscherin am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte, dem Eigentum der Familie Sekles wieder auf der Spur. Sie fand Protokolle, die belegen, dass Gemälde, Instrumente und Notenmanuskripte versteigert wurden. Die Recherchen skizzieren die Stationen einer Flucht vor den Nationalsozialisten und deren Nachwirkung bis in die übernächste Generation.

Bernhard Sekles Witwe Rosa musste nach dem Tod ihres Mannes das Land verlassen und lagerte ihren Besitz zur Verschiffung im Hamburger Hafen ein. Die Ausreise scheiterte, weil mit Kriegsbeginn im September 1939 die zivile Schifffahrt eingestellt wurde. Die Flucht gelang ihr schließlich 1940 über das italienische Triest in Richtung Brasilien. Ihr Hab und Gut blieb jedoch in Hamburg, wurde von der Gestapo beschlagnahmt und versteigert.

82 Jahre später: Kleibl fand die Nachfahren. Rosa Sekles Urenkelin lebt heute wieder in Deutschland. Deren Tochter, die Ururenkelin, Sarah Sekles, ist Künstlerin und eröffnete im Februar in Oslo die Ausstellung „Liebste Rosa“, ein laufendes Projekt, das ihren persönlichen Zugang in die Familiengeschichte zeigt. Die Schau basiert auf den Recherchen der Provenienzforscherin und ihrem seit 2020 am DSM angesiedelten Projekt „LIFTProv – Der Umgang mit Übersiedlungsgut jüdischer Emigranten in Hamburg nach 1939“. Zu sehen sind Surrogate, die für die Gegenstände aus Rosa Sekles Umzugsgut stehen und besagte Versteigerungsprotokolle. Sarah Sekles fragt sich, wer die Geige, die Noten und weitere Gemälde ihrer Großeltern damals kaufte und wo sie wohl heute sein könnten.

„Sarah Sekles hat über das Kunstprojekt versucht, die Leerstände der Versteigerungsliste zu füllen. Man sieht daran sehr gut, welche Nachwirkungen der Entzug des Eigentums hat und wie sehr es die Nachfahren auch nach vielen Jahrzehnten immer noch beschäftigt“, sagt Kleibl, die am 7. April auf einer internationalen Fachtagung zum Entzug von Musikinstrumenten im Nationalsozialismus in Paris über die Sekles berichtet.

Der Fall Sekles ist nur einer von vielen, der die Wissenschaftlerin beschäftigt. In der Kunsthalle Hamburg lagern Gemälde aus Übersiedlungsgut jüdischer Emigrant:innen mit noch ungeklärter Herkunft. Gemeinsam mit der Provenienzforscherin Dr. Ute Haug von der Hamburger Kunsthalle deckt Kleibl die Besitzverhältnisse in akribischer Archivarbeit auf. „Fünf Gemälde konnten wir bereits identifizieren, drei fehlen uns noch.“

Zum vierten Tag der Provenienzforschung am 13. April laden die Hamburger Kunsthalle und das DSM unter dem Titel: „Wem gehört die Kunst? – Beschlagnahmtes und versteigertes Umzugsgut geflohener Jüdinnen und Juden in Hamburg 1941" zu einer digitalen Sprechstunde ein. Haug und Kleibl geben Einblicke in ihre Arbeit, machen Quellenübungen, stellen konkrete Fälle vor und erläutern, wie sie das Puzzle der Geschichte vervollständigen. Natürlich darf das Publikum Fragen stellen. Interessierte können sich ab 17 Uhr dazuschalten.

Veranstaltungen im Rahmen des Tags der Provenienzforschung

  • Vortrag „Ausplünderung in Bremer Häfen“ von DSM-Forscherin Susanne Kiel am Donnerstag, 28. April 2022, 18.30 Uhr im Hafenmuseum Speicher XI in Bremen

 
 

Kontakt Presse

Thomas Joppig

0471 482 07 832

presse@dsm.museum

Verladung eines Lifts im Hafen.

Foto: Speicherstadtmuseums Hamburg, Gustav Werbeck/HHLA-Fotoarchiv

 

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