Von Bioindikatoren und Biomarker – oder wie misst man die Reaktion von marinen Organismen auf den Kontakt mit Explosivstoffen?

Um die Reaktionen von marinen Organismen auf den Kontakt mit gelösten Explosivstoffen aus verklappter Munition messbar zu machen, nutzen wir sogenannte Bioindikatoren und Biomarker. Ein Bioindikator ist eine Art oder eine Artgemeinschaft, die über einen gewissen Zeitraum beobachtet werden kann, wobei man Veränderung bei Anzahl oder Gesundheit der Individuen beobachtet, die über bestimmte Eigenschaften der Lebensumwelt Auskunft geben können. Wenn z.B. Schadstoffe präsent sind, reagiert der betroffene Organismus unter Umständen mit Verhaltensänderungen (Abwanderung, Flucht) oder es treten physiologische Veränderungen auf. So werden z.B. Entgiftungsprozesse gestartet oder das Immunsystem reagiert auf den Kontakt mit Schadstoffen. Im schlimmsten Fall könnte der betroffene Organismus auch sterben, aber bei wissenschaftlichen Untersuchungen achtet man in der Regel darauf, dass die untersuchten Organismen die Schadstoffkonzentrationen, denen sie ausgesetzt sind auch überleben können.

Der ausgewählte Bioindikator sollte außerdem häufig vorkommen, weit verbreitet, einfach zu beproben oder zu sammeln und nach Möglichkeit auch im Labor zu hältern sein. Im Labor wird dann im Detail untersucht, ob und wenn ja wie die Explosivstoffe aufgenommen werden und ob sie danach sich im Organismus anreichern, eher verstoffwechselt oder einfach wieder ausgeschieden werden.

Im Gegensatz zu einer rein chemischen Überwachung eines Schadstoffes über Konzentrationsmessungen im Meerwasser, zeigen Bioindikatoren auch die biologischen Effekte der Schadstoffkonzentrationen auf die betroffenen Tiere und helfen so bei der Einschätzung welche Konzentrationen noch tolerierbar sind und welche eben nicht mehr.

Um diese biologischen Effekte messbar zu machen, nutzen wir die bereits erwähnten Biomarker. Biomarker sind biologische Merkmale, die gemessen werden können und auf einen normalen biologischen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen. Wenn ich also z.B. beim Bioindikator Mensch wissen möchte, ob er Fieber hat, wende ich den Biomarker Körpertemperatur an und messe ihn. Leider sind Biomarker selten spezifisch für einen Schadstoff und unser Körper reagiert auf den Kontakt mit schädlichen oder giftigen Substanzen oft ähnlich, deswegen verwenden wir immer mehrere Biomarker. Gelangt ein Schadstoff in einen Körper so werden als erste Reaktion vermehrt Gene abgelesen, die vielleicht für ein wichtiges Enzym für Entgiftungsprozesse stehen. Beides, die Genexpression und die Enzymproduktion sind messbar. Darüber hinaus sammeln sich unter Umständen bestimmte Substanzen in den Geweben an, die darauf hinweisen, dass Zellen oder Zellorganellen geschädigt wurden. Dauert die Belastung durch den Schadstoff über längere Zeiträume an oder ist die Konzentration des Schadstoffes sehr hoch, können die körpereigenen Abwehrsysteme nicht standhalten und es wird zu ersten Schädigungen von Geweben und Organen kommen. Diese können letztendlich die Organfunktionen beeinträchtigen und es können Krankheiten entstehen und/oder sich Tumoren bilden.

Kurze Expositionen mit niedrigen Konzentrationen sind daher eher auf Gen-, Enzym oder Gewebeebene messbar, während längerer Kontakt mit höheren Schadstoffkonzentrationen auch auf Ebene von Organen oder des ganzen Individuums messbar sind. Und während die Veränderungen auf Gen- und Enzym- aber auch Gewebeebene meist reversible sind, können schwere Organschäden oder Krebs u.U. irreversibel sein.

Je nachdem welches marine Ökosystem man untersuchen möchte, stehen einem verschiedene Bioindikator-Organismen zur Verfügung. Wenn man die Effekte von verklappter Munition untersuchen möchte, die in geringer Tiefe auf dem Meerboden liegt, empfehlen sich natürlich bodennah lebende Arten als Bioindikatoren. Diese Arten haben die größte Wahrscheinlichkeit mit der Munition und den Explosivstoffen in Kontakt zu kommen und darauf zu reagieren.

Besonders geeignet als Bioindikatoren sind festsitzende Muscheln, z.B. unsere heimische Miesmuschel. Sie filtrieren große Wassermengen und spiegeln dadurch sehr gut die Belastungssituation vor Ort wieder. Darüber hinaus sind sie recht robust bei Kontakt mit Schadstoffen und tendieren dazu die Substanzen in ihrem Körper anzureichern.

Zusätzlich kommen auch Krebstiere oder bodenlebende Fische als Bioindikatoren in Betracht. Ortstreue Plattfische wie die Kliesche sind sehr gute Bioindikatoren. Sie werden einige Jahre alt und können deswegen zur Messung von Langzeiteffekten von niedrigen oder chronischen Schadstoffkonzentrationen genutzt werden.

In unseren Projekten untersuchen wir aus diesen Gründen meist Muscheln und Klieschen gemeinsam, um damit ein möglichst breites Effektspektrum der verklappten Munition messbar zu machen.

 

 

_

Partner

-
.svgNavPlus { fill: #002c50; } .svgFacebook { fill: #002c50; } .svgYoutube { fill: #002c50; } .svgInstagram { fill: #002c50; } .svgLeibnizLogo { fill: #002c50; } .svgWatch { fill: #002c50; } .svgPin { fill: #002c50; } .svgLetter { fill: #002c50; } Universität Bremen