Spinnen an Deck – Bananen über Bord: Erinnerungen eines Seemanns

Staudenbananen, Spinnen und Schlangen – das fällt Uwe Schmidt ein, wenn er an seine Zeit auf der MS QUADRIVIUM zurückdenkt. Als Matrose fuhr er mit dem Motorschiff zwischen Südamerika und Hamburg. Als das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte für die Ausstellung „Große Geschichten – Kleine Schiffe“ zwölf Schiffsmodelle zur Auswahl stellte – von denen fünf ab dem 5. September gezeigt werden – war für Schmidt sofort klar, welchem Modell seine Stimme galt.

Der elegante weiße Bug und der lateinische Taufname MS QUADRIVIUM stehen in starkem Kontrast zu dem im Volksmund als Bananendampfer verspotteten Schiff, das ab 1952 als eines der ersten Kühlschiffe Früchte und verderbliche Waren aus Südamerika/Equador nach Hamburg brachte. Ab 1958 mit an Bord: Uwe Schmidt. Der damalige Matrose heuerte laut Seefahrtsbuch auf „unbestimmte Zeit“ für die große Fahrt an und betrat das Schiff im Hamburger Hafen.

„Ich wurde zum ,Bananenede' ernannt und robbte täglich mit einem Schiffsoffizier über die Stauden, um Wärmenester aufzuspüren“, erinnert sich der Wahl-Bremerhavener mit lebhaftem Blick. Die Stauden wurden bei 12,5 bis 13 Grad Celsius gekühlt, um eine frühzeitige Reifung zu verhindern. „Wenn Bananen reifen, entwickeln sie Wärme und stecken die umliegenden Früchte an. Angereifte Stauden mussten wir entnehmen und über Bord werfen“, berichtet Schmidt. Zimperlich durfte der damals Zwanzigjährige nicht sein – zwischen den Früchten lauerten – anfangs noch nicht erstarrt – Spinnen, Schlangen und anderes Getier. „Zum Einfangen hatten wir einen großen Segeltuchsack und Streichholzschachteln dabei. Stülpte man die Schachtel über die Spinne, zog sie sofort die Beine ein. Dann schnell die Klappe zuschieben – diese Methode funktioniert auch an Land.“ Noch heute fängt er zuhause ungebetene, mehrbeinige Gäste, erzählt seine Frau schmunzelnd. Diese seien allerdings deutlich kleiner als die exotischen Spinnen – Schmidt spannt die Handfläche auf, um die Größe der Exemplare zu demonstrieren, die zwischen den Bananen lauerten.

Obwohl der Kapitän i.R. viele Schiffe kannte, bleibt die MS QUADRIVIUM für ihn ein besonderes. „Ich erinnere mich, wie wir uns vor Guayaquil festfuhren. Der Lotse wollte Zigaretten kaufen und übergab seinem Junior das Steuer. Es kam, wie es kommen musste – kurz darauf saßen wir auf Grund.“ 80 Ecuadorianer anzuheuern war nicht das Problem, 80 Schaufeln zu besorgen schon. Als diese vorhanden waren, schaufelten die Arbeiter Kanäle beidseitig des Kiels. Beim nächsten Hochwasser fuhr der Kapitän abwechselnd die Manöver „Voll voraus“ und „Voll zurück“ – und setzte das Schiff damit wieder frei. Mit mehrtägiger Verspätung konnten schließlich die Bananen geladen werden – mittlerweile schon ziemlich gereift. Die Deckscrew hatte alle Hände voll zu tun, um die überreifen Früchte auszusortieren.

Nach 16 Jahren auf See fällt es Schmidt leichter zu sagen, wo er nicht war: „Nach Ostasien bin ich nicht gekommen.“ Der dreifache Vater fand 1967 schließlich eine Anstellung an Land – das Meer aber blieb stets in Sichtweite. Von der Stauerei wechselte er später zu Krupp Atlas und übernahm die Zweigstelle Bremerhaven/Cuxhaven. Schmidt war Beisitzer im Seeamt, seine Meinung war bei Unfällen auf See gefragt. Er machte Probefahrten mit bis zu 300 Meter langen neuen Tankern und trug auch dazu bei, dass das Deutsche Schifffahrtsmuseum gegründet wurde. Als Kuratoriumsmitglied besitzt er den wohl ältesten Mitgliedsausweis – lebenslanger Eintritt inklusive – den er sicher und trocken im Portemonnaie aufbewahrt.

Wenn er heute durch die Ausstellung streift, macht er stets Halt an der Schiffsbrücke. „Das Echolot und das Radargerät stammen von Krupp Atlas.“ Seinen eigenen Kindern riet er nicht aktiv zu einer Laufbahn auf See – und sie hielten sich daran. Nun folgt ihm jedoch die Enkelin: „Sie hat Schifffahrtskauffrau gelernt und ein Jahr auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet, bevor sie bald ein Studium ,Shipping und Chartering' in Bremen beginnt.“

Ein Wiedersehen mit der MS QUADRIVIUM in Miniatur wird es für Schmidt ab dem 5. September geben – dann wird die Sonderausstellung „Große Geschichten – Kleine Schiffe“ eröffnet.

Kontakt

Dr. Jessica Adolf

0471 482 07 832

presse@dsm.museum

Uwe Schmidt an der Schiffsbrücke im DSM.

Credit: DSM / Annica Müllenberg

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