Vermessung des Fremden

Die Vermessung der „Anderen“

Neben den Matrosen und Soldaten auf den Schiffen der Kaiserlichen Marine lockte die Faszination des Unbekannten im ausgehenden 19. Jahrhundert auch zahlreiche Abenteurer sowie zahllose Forschungs- und Expeditionsreisende in die Ferne. Die Fotografie begleitete die Reisen. Zunächst noch mit schweren Plattenkameras, ab den 1880er Jahren dann auch mit leichten Handapparaten.

Der fotografische Blick der Weltreisenden war zunächst nicht zielgerichtet und hielt neben Reisehighlights allerlei allgemeine Kuriositäten fest. Als praktische Wissenschaften verfügten die Völkerkunde, die Ethnologie und die Anthropologie zunächst über kein feststehendes und theoretisch reflektiertes Methodenrepertoire einer fotografischen „Dokumentation“ oder Vermessung der Welt. Aufzeichnung erfolgten zunächst situativ und impressiv. Analog zum Humboldtschen Vorbild war der reisende Gelehrte oder Naturforscher auch um 1900 noch Universalist. Objektsammlungen von Naturalia und Exotica konnte man „erwerben“ und in die Museen nach Hause verschiffen. Die Fotografie wurde jedoch zur neuen Sammlungsmethode, die immaterielle Beobachtungen wie kulturelle Riten und Gebräuche fixieren konnte.

Für die heute in ihren Grundannahmen widerlegte Rassenkunde stellte die Fotografie ein wichtiges Instrumentarium dar. Die Vermessung der Körper der Indigenen über die sogenannte „Anthropometrie“ verdeutlicht das kolonialistische Weltbild. Eine indigene Person wurde nicht als Individuum verstanden, sondern stand stellvertretend für eine gesamte Ethnie und sollte – wissenschaftlich vermessen – deren angebliche „Unterlegenheit“ veranschaulichen. Die „Anthropometrie“ wurde von Personen wie dem Berliner Anatom, Anthropologen und Physiologen Gustav Theodor Fritsch oder dem britischen Naturforscher Francis Galton während ihrer Expeditionsreisen auf dem afrikanischen Kontinent erprobt. Francis Galton wurde zum Vater der Eugenik, aus der die nationalsozialistische Erbgesundheitslehre oder Rassenhygiene erwuchs.

Die hier gezeigten Aufnahmen belegen diese Konditionierung des Blicks, die als Bildmuster die Wahrnehmung des Fremden prägten und unvorbelastete Zugänge und Wahrnehmungen der Welt fast unmöglich machten.

Kontakt

PD Dr. Gisela Parak

+49 (0) 471 482 07 834

g.parak@dsm.museum
 

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bibliothek@dsm.museum

Unbekannter Fotograf: ohne Beschriftung, in: Erinnerungsblätter an die Reise im März 1905 an Bord der THERAPIA © Archiv DSM

Name des Sprechers: Joscha Glanert

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Unbekannter Fotograf: Chinesinnen, in: Ostasienreise S.M.S. GNEISENAU, 1909 - 1914 © Archiv DSM

Name des Sprechers: Joscha Glanert

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Unbekannter Fotograf: N****-Lager, in: S.M.S. DEUTSCHLAND. Ostasienreise, 1897 © Archiv DSM [Die historische Bildunterschrift gibt rassistische Sprache wieder und wurde geändert]

Name des Sprechers: Anton Rendigs

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Unbekannter Fotograf: Der älteste Bewohner Hioko, in: Südsee-Erinnerungen. Tanga - Sydney - Auckland - Apia - Samoa, 1895 - 1897 © Archiv DSM

Name des Sprechers: Luik Folkerts

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Unbekannter Fotograf: Samoaner, in: Südsee-Erinnerungen. Tanga - Sydney - Auckland - Apia - Samoa, 1895 - 1897 © Archiv DSM

Name des Sprechers: Louis Wellkamp

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