Maritim 4.0 - Die Zukunft der Arbeit im Schiffbau?

Schiffe sind hochkomplexe und kostenintensive Produkte, die häufig nur in Einzelfertigung in sehr spezifischen Produktionssystemen hergestellt werden. Dies hatte zur Folge, dass der Schiffbau lange Zeit stark handwerklich geprägt war und Automatisierung bislang nur begrenzt möglich ist.

Dennoch bemühen sich auch Werften, die Potentiale vernetzter Prozesse zu nutzen und digitale Anwendungen in ihre Produktion zu integrieren. Dennoch gibt Möglichkeiten, digitale Anwendungen in die Prozesse auf Werften einzuflechten. Die Möglichkeiten und Herausforderungen der Industrie 4.0 werden auch in der Maritimen Wirtschaft kontrovers diskutiert. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum hat sich dem Thema mit einem World Café und einer Podiumsdiskussion gewidmet und entlang folgender Leitfragen am 30. Oktober 2018 diskutiert:

  • Wie werden Arbeiter*innen aus- und weitergebildet?
  • Ähneln sich aktuelle und historische Problemstellungen und Konfliktfelder?
  • Wie gehen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen mit der Integration digitaler und automatisierter Prozesse in Betriebsabläufe um?

 

Kontakt

Dr. Nicole Höher

orte-des-dialogs@dsm.museum

Hier finden Sie nähere Informationen zum Thema Digitalisierung im Schiffbau.

Expert*innen

Doreen Arnold - 1. Bevollmächtigte, IG Metall Elbe-Weser

Dr. Christian Ebhardt - Historiker, Deutsches Schifffahrtsmuseum

Andreas Friemer - Sozialwissenschaftler, Institut Arbeit und Wirtschaft (Universität Bremen)

Guido Foersterling - Geschäftsführer, German Dry Docks AG

Dr. Phillip Lechleiter – Arbeits- und Organisationspsychologie, Uni Heidelberg (Vertreter des Projektes „Maßnahmen und Empfehlungen für gesunde Arbeit von morgen“)

 

Moderation

Katharina Heckendorf – Freie Wirtschaftsjournalistin

Schiffbaustandort Deutschland im globalen Wettbewerb

Schiffbau ist ein Industriezweig, in dem auch heute noch viele Tätigkeiten manuell erfolgen. In Deutschland werden Schiffe in der Regel als Einzelaufträge oder bestenfalls Kleinserien gefertigt. Die Automatisierung von Prozessen gestaltet sich schwierig, da nur wenige standardisierte Teile verwendet werden können. Dennoch ist der Einsatz von digitalen Anwendungen durchaus schon im Schiffbau aufzufinden, z.B. für die Vernetzung von spezialisierten Tätigkeiten an verschiedenen Standorten, was wiederum ermöglicht, Synergien zu nutzen. Grundsätzlich gilt es, den Standort Deutschland gegenüber Asien (Japan, Korea und China), das im Frachtschiffbau dominiert, zu stärken. Westeuropa fokussiert sich seit dem Strukturwandel der 1970er Jahre auf Nischenprodukte des Spezial-, Passagier und Marineschiffbaus und spezifische Bereiche einer globalen Prozesskette. So ist Deutschland ist heute das Zuliefererland Nr. 1 für Einzelteile, die im Ausland verarbeitet werden, und wird damit im globalen Wettbewerb im Schiffbau mithalten können. Hierfür sind digitales- und technisches Know-How unerlässlich.

Ein Schiff ist heute absolute Hochtechnologie. Metallurgie und Schweißtechniken haben sich stark weiterentwickelt. Schiffswände sind heutzutage mehrere Zentimeter dick und aus hochfesten Stählen hergestellt. Die benötigte Schweißtechnik dafür gilt als „Königsdisziplin“. Schiffbau ist anderen Branchen technologisch nicht unterlegen, er wird derzeit nur schlecht vermarktet. Dabei kann Schiffbau von Fachkräften als Sprungbrett für andere Industrien, wie die Luft- und Raumfahrt, genutzt werden.

Ausbildung (Manuell vs. Digital)

Handwerk und Industrie im Allgemeinen und der Schiffbau im Speziellen sind von körperlich belastenden Tätigkeiten geprägt, die bei Auszubildenden und Fachkräften häufig nicht beliebt sind. Dies zeigt sich vor allem durch rückläufige Bewerbungen und die schlechtere Vorbildung der Auszubildenden auf manuelle Tätigkeiten. Arbeiten auf Werften und Reparaturwerften werden unter harten Bedingungen durchgeführt. Es kann nass, kalt und körperlich anstrengend sein. Doch auch schon in den 1960er 70er Jahren wurde Jugendlichen vorgeworfen, nicht unter diesen harten Bedingungen arbeiten zu wollen. Der derzeitige Mangel an Fachkräften wird derzeit durch den Einsatz von Facharbeitern aus anderen europäischen Ländern (vorwiegend Osteuropa) kompensiert.

Die zunehmende Akademisierung der Gesellschaft geht häufig zulasten der Ausbildungsberufe für gut qualifizierte Facharbeiter. Um dem entgegenzuwirken müssten medienpädagogische Konzepte entwickelt werden, die zielgerichtet in Schulen eingesetzt werden können, um qualifizierte Ausbildungsberufe attraktiver zu machen. Denn das Heranführen an handwerkliche und industrielle Arbeiten sollte schon früh beginnen und sich nicht im Werkunterricht erschöpfen. Tatsächlich werden im Unterricht heutzutage digitale Anwendungen gegenüber manuellen Tätigkeiten bevorzugt, was eine digitale Affinität in Kindern durchaus steigert. Die Entscheidung sich für oder gegen einen handwerklichen Beruf wird dadurch stark geprägt. Allerdings integrieren auch handwerkliche Berufe immer stärker digitale Anwendungen. Daher müssen Handwerk und Digitales nicht grundsätzlich ein Widerspruch sein. Konsens war, dass die Gestaltung neuer Berufsbilder in der Zusammenarbeit von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, Staat und Schule stattfinden sollte.

Digitalisierung

Vernetztes Arbeiten ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das auch auf das Arbeiten im Schiffbau Einfluss hat. So begann Digitalisierung als Kommunikations- und Organisationshilfe und dient heute als wichtiges Instrument für den Austausch zwischen Schnittstellen wie Verwaltung, Konstruktion, Logistik und Fertigung. Digitalisierung ist ein Instrument von Rationalisierung und Effektivierung von Prozessen. Dies schließt auch präventive Maßnahmen ein, die die Gesundheit der Belegschaft verbessern können. Teilweise lohnt sich dieser Wandel derart, dass größere Unternehmen eigene IT-Abteilungen aufbauen.

Zu den Zielen der Digitalisierung von Arbeitsprozessen gehören – neben anderen – oft zwei Ziele: 1) Erhöhung der Sichtbarkeit von gemeinsamen Dokumenten und 2) Zusammenbringen von Teams, die mit einer gemeinsamen Software zusammenarbeiten können, wodurch ein synergetischer Mehrwert entsteht. Diese Ziele sollten in den Mittelpunkt der internen Kommunikation gestellt werden. Denn dadurch werden die Mitarbeiter*innen aktiv in den Wandlungsprozess einbezogen und gestalten diesen eher mit.

Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gleichermaßen angegangen werden muss. Oft werden Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten dabei außer acht gelassen. Digitalisierung und Automatisierung bieten die Chance, körperlich anstrengende Arbeit zu reduzieren. Sie führt aber auch dazu, dass viel mehr Informationen in kürzester Zeit verarbeitet werden müssen („E-Mail-Flut“, ständige Erreichbarkeit). Diese Entwicklungen sowie die damit agierenden Menschen müssen mitgedacht und mitdiskutiert werden. Eine Betrachtung von allen Seiten ist nötig, denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck.

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