Interests at Work – Arbeitsbedingungen im Schiffbau

Im Rahmen des Projektes wird das Verhältnis von Produktionstechnik und Arbeitsbedingungen im Schiffbau während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersucht

Wie in jedem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftszweig ist auch die Geschichte des Schiffbaus von sich gegenüberstehenden und sich überlagernden Interessenkonstellationen geprägt. Diese Interessen werden sowohl nach außen in der politischen Sphäre vertreten als auch im Inneren im Rahmen der Arbeitsbeziehungen ausgefochten. Ein wesentliches Ziel industrieller Unternehmen ist ihr stetes Bemühen um technische Innovation ihrer Produkte und Rationalisierung der Produktionsabläufe, um Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen zu erzielen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Der Schiffbau ist in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Arbeitsbeziehungen der Moderne. Zum einen war das Produktionssystem des Schiffbaus aufgrund der vorherrschenden Einzelfertigung sehr spezifisch und lange Zeit durch handwerkliche Assoziation unterschiedlicher Gewerke geprägt. Viele zentrale Aspekte des Fordismus und des Taylorismus ließen sich hier nur mit speziellen Anpassungen realisieren. Zum anderen wurde das Bemühen um eine im weitesten Sinne „rationelle“ Fertigung aufgrund der intensiven internationalen Konkurrenz auch im Schiffbau spätestens ab der Jahrhundertmitte als ein zentrales Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit angesehen und von den Unternehmensleitungen propagiert.

Die technische und organisatorische Umgestaltung von Produktionssystemen hat jedoch immer auch Rückwirkungen auf den Menschen und seine sozialen Interaktionen im Arbeitsumfeld. Das Forschungsprojekt untersucht daher, wie sich Interessengruppen und Herrschaftsbeziehungen im Schiffbau veränderten und welche Rückwirkungen sie auf diese ausübten. Dabei werden sowohl betriebliche Praktiken der Disziplinierung als auch unternehmensnahe Debatten untersucht. Es positioniert sich an einer Schnittstelle zwischen Labour History, Technikgeschichte und einem starken körpergeschichtlichen Fokus.

 

Technische Innovationen und Rationalisierungsprozesse 

Der Schiffbau war während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von zwei grundlegenden Prozessen geprägt. Die flächendeckende Einführung des Sektionsbaus während der 1950er- und 1960er-Jahre führte zu einer weitgehenden Zergliederung des Produktionsprozesses und einer fundamentalen räumlichen Neustrukturierung der Werften. Darauf aufbauend waren die Einführung rechnergesteuerter Maschinen und die Automatisierung sowie Digitalisierung einzelner Produktionsabschnitte ab den 1970er-Jahren bis heute prägend. In den Debatten, die diese Aushandlungsprozesse begleiteten, treten verschiedene Themen zutage, die als Eckpfeiler „moderner“ Industriegesellschaften gelten können. Angefangen bei branchenspezifischen Auseinandersetzungen über Disziplinierung durch zunehmend reglementierte Arbeitsabläufe bis hin zu grundlegenden Vorstellungen zur Zukunft menschlicher Arbeit  angesichts steigender Mechanisierung, Automatisierung und Digitalisierung tut sich eine breites Spektrum auf, das es insbesondere im Hinblick auf seine Spezifität im „fordistischen Jahrhundert“ zu untersuchen gilt.

 

Das Mensch-Maschine-Verhältnis im Schiffbau

Das Verhältnis von Mensch und Maschine ist eines der bestimmenden reflexiven Momente der Moderne und tritt besonders im Bereich der industriellen Arbeit in den Vordergrund. Bedingt durch die Komplexität des Produktionssystems, die häufige Verwendung toxischer Materialien und die meist körperlich anstrengenden Tätigkeiten galt der Schiffbau selbst – verglichen mit anderen Branchen im industriellen Sektor – als Knochenarbeit. Der Umgang mit diesen Gesundheitsrisiken und Unfallgefahren war einem steten Wandel unterworfen und meist eng mit der Entwicklung des Produktionsregimes verknüpft.

In diesem Zusammenhang erwies sich neue Technik als zweischneidiges Schwert. Einerseits brachten neue Produktionstechnik und neu entwickelte Werkstoffe häufig ungeahnte Gesundheitsrisiken mit sich, andererseits konnte Technik dazu eingesetzt werden, um Gefahrenpotentiale zu verhindern und körperliche Belastungen zu reduzieren.

Die 1970er-Jahre treten auch hier als eine Periode intensiven Wandels hervor. Ab Mitte der 1970er-Jahre führte eine tief greifende Branchenkrise zu umfangreichen Kapazitätsreduktionen in Westeuropa. Gleichzeitig gerieten viele Werften unter internen Druck, der sich auch in Forderungen der Belegschaften nach besseren Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz manifestierte. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts liegt daher auf den stark auf den „Körper des Werftarbeiters“ fokussierten Aushandlungsprozessen in den Unternehmen. Diese innerbetrieblichen Debatten werden wiederum als Bestandteil eines übergeordneten Strukturwandels im Spannungsfeld von Globalisierung und technischen Innovationen verstanden und untersucht.

Team

Dr. Christian Ebhardt

Katharina Bothe

 

Kontakt

Dr. Christian Ebhardt

0471 482 07 0

ebhardt@dsm.museum

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