Maritim 4.0 - Die Zukunft der Arbeit im Schiffbau?

Die – von der Bundesregierung ausgerufene – vierte industrielle Revolution beruht auf den Einsatz von Assistenzsystemen und –robotern sowie des Internet der Dinge.

Neben möglichen Risiken (Stellenabbau in spezifischen Bereichen, Überwachungsmöglichkeiten) gibt es auch Chancen (Produktivitäts-steigerung, Aufwertung der Produktionsarbeit, ergonomische Verbesserungen) für die heutige Industrie. Der Schiffbau ist aufgrund der vorherrschenden Einzelfertigung durch ein sehr spezifisches Produktionssystem geprägt.

Die Arbeit auf Werften zeichnete sich lange Zeit durch ein komplexes Gefüge aus handwerklichen Tätigkeiten und mechanisierten Prozessen aus,. Seit der Einführeng des Mikrochips Mitte der 1970er Jahre wurden jedoch digitale und automatisierte Anwendungen in die Produktion auf Werften eingeflochten. Heute sind es insbesondere vernetzte Prozesse, die unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ diskutiert werden und die Arbeit im Schiffbau in der Zukunft prägen werden.

Industrie 4.0

Produktionsarbeit unterliegt einem ständigen Wandel. Die Einführung neuer Technologien und die damit verbundene Entwicklung der Fertigung werden als industriellen Revolutionen bezeichnet. Die Bundesregierung bezeichnet den aktuellen Umbruch als 4. industrielle Revolution (Industrie 4.0). In diesem industriellen Wandel stehen die zunehmende Digitalisierung der bisherigen analogen Anwendungen und die Integration cyber-physischer Systeme (CPS) sowie das Internet der Dinge (Internet of Things; IoT) im Vordergrund. CPS-Anwendungen sollen selbstständig und autonom Produktionsprozesse steuern, optimieren und konfigurieren, wodurch ein neues Maß an Automatisierung erreichen werden soll. Im Internet der Dinge werden physische und virtuelle Gegenstände miteinander vernetzt. Immer kleinerer eingebettete Computer, z.B. in Kleidung eingearbeitete Sensoren, sollen den Menschen unterstützen, ohne abzulenken oder überhaupt aufzufallen.
Industrie 4.0 wird häufig als ein disruptiver Wandel angesehen, der bisher vorherrschende Muster der Automatisierung grundlegend ändern wird. Die Wandlungsprozesse an sich sind bisher noch nicht vollends absehbar. Durch CPS und IoT werden neue Ebenen von Interaktionen zwischen Mensch, Maschine und Umwelt erreicht, die eine einfache Programmierung der Maschine durch den Menschen übersteigt.

LeaderSHIP 2020, Maritime Agenda 2025 und Weißbuch Arbeiten 4.0

Der Verbund der Europäischen Maritimen Industrie hat in der LeaderSHIP 2020 Initiative Schlüsselstrategien für das weitere Wachstum der Branche zusammengestellt. Für die Umsetzung dieser Strategien und Erreichung der Visionen haben die Beteiligten vier Handlungsgebiete herausgearbeitet. In dem Handlungsfeld „Beschäftigung und Fähigkeiten“ wird auch die Weiterentwicklung der maritimen Technologien und damit der Bedarf an Spezialisierung und Weiterbildungen der Beschäftigten genannt.
In der Maritimen Agenda 2025 hat die Bundesregierung zentrale Ziele, Handlungsfelder und Vorschläge definiert, die zur nachhaltigen Nutzung der Meere und einem hohen Schutzniveau beitragen. Es wurden Rahmenbedingungen für die maritime Branche formuliert, die die Automatisierung und Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen, Produktions- und Logistikprozesse, Fachkräftebedarf, maritime Sicherheit sowie Umwelt- und Klimaaspekte formuliert.
Allerdings wurden bei der Verfassung der Handlungsfelder und Ziele der maritimen Wirtschaftspolitik arbeitspolitische Fragen zum Großteil außer Acht gelassen. In der Agenda wird dargestellt, dass eine bedarfsgerechte Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung stattfinden sollte. Dies schließt das duale Ausbildungssystem und das Hochschulstudium sowie Konzepte zum „lebenslangen Lernen“ ein.
Im Weißbuch Arbeiten 4.0 der Bundesregierung werden mögliche Handlungsoptionen und politische Schlussfolgerungen für zentrale Handlungsfelder des Dialogprozesses Arbeiten 4.0 dargestellt. Diese umfassen kurz- und mittelfristige Aktivitäten, die teils schon umgesetzt sind oder für kommende Legislaturperioden anstehen. Die Handlungsfelder umfassen u.a. Beschäftigungsfähigkeit (von der Arbeitslosen- zur Arbeitsversicherung), Arbeitszeit (flexibel, aber selbst bestimmt), gesunde Arbeit (Ansätze für Arbeitsschutz 4.0) sowie Mitbestimmung und Teilhabe (Wandel partnerschaftlich gestalten).

Entwicklung des industriellen Schiffbaus  

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzt die Industrialisierung auch auf Werften ein. Mit dem Übergang vom handwerklichen Holz- und Segelschiffbau zu dampfgetriebenen Eisen- und Stahlschiffen entwickeln sich industrielle Großbetriebe. Schiffe sind extrem komplizierte und teure Produkte. Ihr Bau ähnelt daher häufig eher einem infrastrukturellen Bauprojekt, denn der Herstellung von Fahrzeugen in einer Fabrik.  Der Übergang vom Nieten zum Schweißen während der 1950er und 1960er ermöglichte erstmals eine Verlagerung der Produktion weg vom Helgen hin zu witterungsunabhängigen Hallen und die Intensivierung der Vorproduktion in sogenannten Sektionen oder Modulen.  
Ab den 1970er Jahren hat die Globalisierung auch die schiffbauliche Fertigung zunehmend beeinflusst. In Westeuropa drückte sich dieser Strukturwandel in starken Kapazitätsreduktionen und einer Konzentration auf hochwertige (Spezial-)Schiffe aus. Angefangen bei Arbeitsmigration über Outsourcing bis hin zum global vernetzten Arbeiten hat sich die Arbeit im Schiffbau in den letzten Jahrzehnten jedoch auch in vielen anderen Bereichen grundlegend verändert. Es ist heute nicht mehr ungewöhnlich, dass Bauteile in Fernost gefertigt werden, nur um einmal um den Globus verschifft und anschließend in Europa montiert zu werden.

Maritim 4.0

Im Gegensatz zum Auto- oder Flugzeugbau können Arbeitsabläufe im Schiffbau nur bedingt automatisiert werden. Dies liegt unter anderem auch daran, dass in einem Kreuzfahrtschiff ca. 10 Millionen Einzelteile und Bauteilgruppen verarbeitet werden, während bei einem Airbus A 380 ca. 1 Mio. Teile und bei einem PKW ca. 10.000 Teile verwendet werden.
Deutsche Werften haben sich vorwiegend auf die Produktion von Passagier- und Spezialschiffen ausgerichtet. Weshalb auch in hochgradig optimierten Werften Handarbeit vor komplexe Prozesse gestellt wird und damit nahezu jedes Schiff ein Prototyp ist. Dennoch werden häufiger automatisierende Prozesse angewendet um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Arbeitsprozesse und –abläufe müssen für die Planung und Vorbereitung, Modellierung und Simulation von Schiffen neu überdacht werden. Industrie 4.0 bietet das einige Chancen für den Schiffbau, aber spezifische Prozesse müssen für den Schiffbau 4.0 (Maritim 4.0) angepasst werden.
Darüber hinaus entstehen durch die Digitalisierung von Prozessen Datenflüsse, die zielorientiert analysiert, bewertet und gemanagt werden müssen. Dies betrifft vor allem Abläufe in der Handelsschifffahrt und Hafenwirtschaft, aber auch Reedereien, die stetig Daten von fahrenden Schiffen erheben. Es entstehen aber auch große Herausforderungen im Bereich vom Datenmanagement und Datensicherheit, auch hinsichtlich der Überwachung von Mitarbeitern.

Arbeit in Industrie 4.0

Der Einsatz der leistungsfähigeren und komplexeren Produkte bedarf auch einer angepassten Ausbildung der Mitarbeiter. Schwere körperlicher Arbeit wird automatisiert und Dienstleistungen werden von IT-Systemen übernommen.
Mit dem Wandel der Tätigkeiten wandeln sich auch die Ansprüche und Bedürfnisse an Arbeit und Leben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, aber auch Selbstverwirklichung gewinnt an Bedeutung. Um den Wandel der Arbeitswelten der Menschen zu gestalten, ist eine genaue Kenntnis der Wünsche und Ansprüche nötig (für Unternehmen, Sozialpartner und Politik).
Die Dimensionen des Wandels von Produktionsarbeit im Kontext autonomer Produktionssystem sind folgende:

  1. Mensch-Maschine Interaktion und damit zusammenhängende Qualifikationsanforderungen Mensch-Maschine Interaktion
  2. Aufgabenstrukturen und Tätigkeiten der im System Beschäftigten
  3. Arbeitsorganisation sowie Kooperation und Kommunikation zwischen den im und am System Beschäftigten.

Darüber hinaus ändern sich auch Arbeitsverhältnisse. Im Schiffbau werden Tätigkeiten nur punktuell und vereinzelt benötigt. Dies betrifft bspw. Ingenieure, deren Expertise teils als externe Dienstleistung eingekauft wird, wodurch die Betroffenen oftmals nur befristet an Projekten beteiligt sind.

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